"Die Menschen menscheln wie seit Jahrhunderten. Sie haben sich durch die neuen Medien keinen Deut verändert. Die neuen Medien werfen einfach nur live deutliche Schlaglichter auf die Wirklichkeit menschlichen Verhaltens, wie es schon zu offline-Zeiten gang und gäbe war."
… "Gefährlich wird es, wenn das Medium bereits das Leben ersetzt. Wenn der Klick zum Ersatz für das Zeigen echter Emotionen wird. Um wie viel echter wird Leiden und Beten per Retweet im Gegensatz zu dem, was im stillen Kämmerlein und in tiefer Ehrlichkeit stattfindet? Wie offline sind wir noch? Sind wir überhaupt noch oder kommunizieren wir uns nur?"
Während ich mit Apples Zeitmaschine die heute Abend nach dem Beenden des Ruhezustandes plötzlich aufgetretenen Software-Probleme auf der Festplatte meines MacBook Airs ins Daten-Nirwana befördere und das Image des 26. Februar 2011 wiederherstelle, kommt mir der Gedanke, was wohl geschehen würde, wenn ich selbst auch mitreisen könnte. Ich hätte mich neben meine geliebte Hündin setzen und ihr die Ohren kraulen können, behutsam natürlich, da ihr Gehörgang trotz fortschreitender Taubheit auf Berührungen manchmal sehr empfindlich reagierte. Die Fotozeile unter dem folgenden Bild zeigt jedoch, welche Frage mich seit nunmehr 3 Monaten täglich beschäftigt hat.
Seit letztem Donnerstag kenne ich die Antwort. Der 3.3.11 ist nach dem 6.7.8 und 10.11.9 nun das dritte einer besonderen Serie von Daten, denn an diesen Tagen musste ich mit meiner Familie Abschied nehmen von unseren geliebten Tieren. Ebony hatte vor 3 Jahren den Anfang gemacht, ein Jahr später mussten wir den Kater Futsi gehen lassen und vor drei Tagen habe ich dann doch den schweren Entschluss gefasst, auch Momo einschläfern zu lassen.
So traurig dieser Tag auch war, bin ich schlussendlich erleichtert, dass es mir gelungen ist, ihr die letzten Stunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Die Tierärztin hatte mir freundlicherweise nach meinem Anruf in der Mittagszeit angeboten, erst am späten Nachmittag zu uns zu kommen, damit mir noch Zeit bleiben würde um von meinem Hund Abschied zu nehmen. Da Momo während des Mittagessens etwas unruhig im Haus hin und her trottete, beschloss ich sofort danach mit ihr nach draußen zu gehen. Es herrschte endlich wieder sonniges, frühlingshaftes Wetter, so dass der Spaziergang an sich eigentlich ein Genuss war. Ich hatte jedoch ein mulmiges Gefühl dabei, weil ich mir ständig die Frage stellte, warum ich gerade heute, bei diesem Wetter, als Momos Fell noch schöner als an den trüben Tagen in der Sonne glänzte und sie sich wieder einmal in die Leine legte auf dem Rückweg, die Tierärztin gebeten hatte, Momo die Todesspritze zu geben.
Mein Verstand bemühte sich um Distanz zum gelebten Moment, indem er mir die letzten Tage Revue passieren ließ und mir weitere Lebenstage meiner mittlerweile schwer unter Arthrose im Rückenbereich leidenden sowie mit auf der Grenze zur Insuffizienz liegenden Nierenproblemen geplagten Hündin als ziemlich trübe Aussicht aufzeigte, immer mit der Sorge im Hinterkopf, dass sie ihre hinteren Läufe eines Tages überhaupt nicht mehr benutzen könnte und sie womöglich einige Stunden lang hilflos ausharren müsste, bevor wir sie so finden würden, und sie dann eventuell noch einige Stunden auf die erlösende Spritze warten müsste. Mein Herz jedoch blutete bei dem Gedanken, dass es nach diesem Tag kein Zurück mehr geben würde. Die tägliche Präsenz Momos in den letzten 13 Jahren erstreckte sich über einen Teil meines Studiums, als ich mit Nicole und ihren beiden Katern in einer kleinen Wohnung lebte, ein paar Jahre später war das tägliche Treppensteigen wegen der höher gelegenen Duplexwohnung bestimmt nicht gesund für ihre damals allerdings noch nicht diagnostizierte Arthrose. Nach der Geburt unseres Sohnes hatte Momo einen weiteren Menschen den sie von Anfang an liebte und der sie lieben gelernt hat. Lediglich drei oder vier Mal haben wir Momo nicht mitgenommen, wenn wir einige Tage Urlaub im Ausland gemacht hatten, die längeren Aufenthalte wurden stets so geplant, dass sie mit uns kommen konnte. Als Momo älter wurde und die Probleme am Bewegungsapparat auftauchten, schaffte ich das Hundegeschirr sowie später eine Rampe an, damit sie weiterhin auch höhere Hindernisse wie die Schwelle zum Kofferraum überwinden konnte. Vor drei Jahren hatten wir die Möglichkeit in ein neues Haus zu ziehen und ermöglichten ihr dadurch einen treppenlosen Zugang in die Wohnung. Die Schmerzen wurden dennoch mit zunehmendem Alter größer, so dass ich mich vor einem Jahr für die Verabreichung vun einem entzündungshemmenden Medikament entschied, das Momo fortan täglich einnehmen musste. Damit konnte sie sich während einem weiteren Halbjahr wieder etwas besser bewegen als vor der Therapie. Schließlich kamen senilitätsbedingte Symptome und dadurch weitere Medikamente hinzu, Momo brauchte nun mehr Präsenz ihrer Menschen, da sie öfter nach draußen musste. Wir haben deshalb in den letzten Monaten unseren Alltag ganz nach dem Hund gerichtet, und mir tut nachträglich kein einziges dadurch erfolgtes Versäumnis leid. Momo war 13 Jahre lang für mich und meine Familie da, ich wollte deshalb auch so lange wie möglich für sie da sein.
Nach dem sonnigen Spaziergang hatte Momo wieder die Ruhe gefunden, die ihr beim Mittagessen gefehlt hatte. Sie durfte an jedem Grashalm schnuppern, sie durfte den Zeitpunkt für die Rückkehr ins Haus selbst bestimmen. Im Wohnzimmer lag sie dann zuerst eine Stunde lang auf ihren Stammteppich, danach legte sie sich noch bis zur Ankunft der Tierärztin auf ihr liebstes Hundebett, das ich ihr eigens gegen das noch am Vormittag benutzte ausgetauscht hatte. Ich kann nicht mit Sicherheit beurteilen, ob Momo wusste, wie ihr danach geschehen sollte, was mich jedoch beeindruckte und gleichzeitig sehr beruhigte, war der Umstand, dass sie trotz der Ungewissheit was passieren würde, nachdem die Veterinärin mit dem Ketamin anrückte, keine größeren Stresssymptome zeigte, so dass sie schlussendlich neben mir während dem Streicheln eingeschlafen ist.
Seither denke ich oft an sie, mehrmals am Tag ertappe ich mich dabei wie ich nach ihr schauen oder mit ihr Gassi gehen möchte. Unwiederbringlich ist diese Zeit jedoch vorbei. Was dagegen nicht vorbei ist sind die vielen schönen Erinnerungen an ein wundervolles Tier. Einige Eindrücke davon kann man übrigens in diesem Foto-Set bekommen, das ich hoffentlich demnächst noch ausbauen werde.
Danke, Momo!